Warum die alphabetische Reihenfolge so ist, wie sie ist, ist eine Frage, die m.E. niemals zuvor gestellt wurde. Sie veranlaßte mich, die alphabetische Reihenfolge zu analysieren, bevor ich die mosaischen Gesetzestafeln rekonstruierte. So entdeckte ich im Frühjahr 1983 die zweidimensionale Struktur der alphabetischen Reihenfolge, die für die Rekonstruktion der Tafeln einige Anhaltspunkte bot, wie z.B. ihr Format von 6 mal 4 und die abwechselnden Schreibrichtungen (Bustrophedon) der Zeilen.

Das Alphabet ist eine der größten kulturellen Errungenschaften der Menschheit. Nach Eupolemos (ca. 150 v. d. Z.) war es Mose, der das Alphabet im Sinai erfand, und es das Volk Israel lehrte, die Phönizier bekamen es von den Juden, und die Griechen von den Phöniziern. Von Hubert Grimme, weiland Professor der semitischen Sprachen an der Universität Münster, wurde die Ansicht verteten, "die zehn Gebote hätten zu den allerersten Denkmälern der Buchstabenschrift gehört".

Vor der Erfindung des Alphabets hatte Ägypten schon eine höchst komplizierte konsonantische Lautschrift, die aus fast 3000 uniliteralen, biliteralen und triliteralen Hieroglyphen bestand. Die Vereinfachung der Schrift war ein Politikum. Jeder gebildete Ägypter wie Mose wußte, daß die 24 einkonsonantischen Hieroglyphen ausreichten, um die Sprache zu schreiben, - warum also nicht alles andere abschaffen? Natürlich war dies gegen die Interessen der Schreiberaristokratie.

Der Auszug der hebräischen Sklaven aus Ägypten 1441 v. d. Z. oder 480 Jahre vor 961 v. d. Z., als König Salomo mit dem Tempelbau in Jerusalem begann (1. Könige 6, 1), war die Zeit für die Einführung des Alphabets. Eine einfache Schrift von etwa 20 bis 30 Buchstaben machte Lesen und Schreiben jedem möglich. Das war in der von Mose im Sinai gegründeten antiken Republik Israel ebenso wünschenswert, wie eine hohe Alphabetisierung es in Demokratien noch heute ist.

Die zwei steinernen Gesetzestafeln der Torah von Mose aus dem Sinai sind die erste Rechtsurkunde in alphabetischer Schrift nach ihrer Erfindung. Das Alphabet im engeren Sinne wird gekennzeichnet durch die feste alphabetische Reihenfolge seiner 22 Konsonanten und heißt nach seinen ersten beiden Buchstaben Aleph und Bet. Die 24 einkonsonantischen Hieroglyphen, deren Reihenfolge modern ist, sind kein Alphabet, ebensowenig die Buchstaben der südsemitischen Schrift.

Im ersten Viertel des ersten Jahrtausends v. d. Z., im Goldenen Zeitalter Israels, von König David und Salomo bis zum Assyrischen Exil, ist die althebräische Schrift identisch mit der phönizischen, die ich daher als hebräisch-phönizisches Alphabet bezeichne. Damals übernahmen die Phönizier es von Israel, nicht umgekehrt, und Ugarit paßte es der Keilschrift an. Denn es trägt den phonetischen Fingerabdruck Israels, das anders als die Phönizier keinen th-Laut besaß, wie Plutarch berichtet.